THE BLOG DAYS ARE OVER

Nun aber auch jeder Bezirk, der ein „Berg“ im Namen hat. Der Strike wird auf der Wiener eingesammelt, dann holen wir Frau Koma in einer Seitenstraße des Sch-Berg ab, und kaum 35 Minuten später finden wir einen Parkplatz im Mutter-und-Kind-Berg und sitzen bei Vanille-Eis, Tee, Kaffee und Sekt im Hotel Mama und sinnieren über die Zukunft des Bloggens in den Zeiten von Twitter und Facebook. Bei konstanten Besucherzahlen sind mir in den vergangenen Wochen irgendwie die Kommentatoren weggebrochen. Den gegenteiligen Effekt erlebten Koma und Strike durch gemeinsamen Urlaub und getrennt darüber bloggen. Mehr Besucher, mehr Kommentare.

Das Gequatsche, das Bewerten, das Loben oder Rumätzen, der Dialog – das findet mittlerweile hauptsächlich bei Twitter statt, aber die Form ist mir zu eng, so, wie ich auch SMSse hasse. Ich habe, ehrlich gesagt, auch keine Zeit für Twitter, denn ich blogge ja. Ich bin vom Typus her auch kein „Follower“, außer es geht um Marilyn und Kate und noch ein paar Schätze.

Während das Netz immer zwangsläufiger und unumstößlicher wird, unser Leben ganz entschieden formt und prägt und ich mir meiner Rolle im Netz umso bewusster werde, kommt der Gedanke auf, mich ein bisschen auszuklinken. Die Seelenehygiene wieder ins Private zu verlagern und mehr Zeit für das andere Schreiben zu gewinnen. Then again – die Chronisten, die ich schätze – ich würde ungern darauf verzichten, bei ihnen zu lesen, und ich verstehe die Reaktionen von Frau Casino und Frau Koma „Oh nein – ich lese Dich jeden Morgen, Du kannst nicht aufhören!“, und die von Herrn Strike „Das schaffst Du nicht.“

Seit ungefähr 15 Jahren stehe ich morgens auf, koche mir einen Tee und schreibe. Seit beinahe 6 Jahren stehe ich morgens auf, koche mir einen Tee und schreibe im Netz. In den 10 Jahren zuvor habe ich eine handvoll Bücher fabriziert. In den Blog-Jahren diverse Exposés für Bücher, aus denen nichts wurde. Ich siedle mein Blog nicht niedriger an, als meine Print-Veröffentlichungen. Meine kommende Print-Veröffentlichung verdanke ich meinem Blog. Aber ich bin Autor und es wäre schön, wenn ich endlich von meinem Schreiben leben könnte. Die Schattenseite der Billig- und Gratis-aus-dem-Netz-Kultur, die wohl auch aus diesem Grund von den Bezahll-Medien unaufhörlich gedisst wird. Wenn´s nix kostet, dann kann´s auch nix wert sein.

Schön wär´s, wenn beides ginge. Hier schreiben und da schreiben. Schreiben für die Genugtuung und Schreiben für Honorar. Da suche ich noch einen Weg, denn, anders als mein Bloggen, ist mein literarisches Schreiben konzeptueller, redigierungsbedürftiger – eben zeitaufwändiger. Arbeit, konzentriert. Wie das beides zu bewerkstelligen ist, wird sich zeigen. Aber, keine Angst, Glamourdick wird es noch eine Weile geben. Ich bin ja auch einen Tick stolz darauf, Teil dieser Blosphäre zu sein und mir eine Nische definiert zu haben. An einem Sonntag-Nachmittag mit drei Lieblings-Bloggern und -Menschen am Kaffetisch zu sitzen bringt auch alles Gute hervor, was mir 6 Jahre öffentlich zu jubeln, zu lamentieren, zu grübeln und sonstge Indeskretionen gebracht haben – wertvolle Begegnungen in Text und Mensch.

Vielleicht exemplifizierte es Mequito aus Versehen trefflich, als er vor ein paar Tagen von einem Schreibwettbewerb bloggte, an dem er teilzunehmen gedachte und für den ich auch Feuer fing. Bei genauerem Hinkucken stellte sich heraus, dass der letztes Jahr stattgefunden hatte. Siehe oben.

22 Gedanken zu „THE BLOG DAYS ARE OVER

  1. glamourdick

    REPLY:
    ich habe heute erstmals erwogen, die kommentarfunktion für einen beitrag zu deaktivieren und dann beschlossen, dass sich das für diese seite einfach nicht gehört. das wäre, wie jemandem den mund zu verbieten, und im gegensatz zu vielen webseiten, wo ich kotze, wenn ich die kommentare lese, gab es hier eher selten dummes geschwätz oder impertinente anonymas, die meinen, das alphabet missbrauchen zu müssen, um ihre irrelevante meinung ins netz zu rotzen. insofern ist die kommentarfunktion hier ganz bewusst aktiviert. (auch wenn es manchmal etwas psycho ist – meinerseits wohlgemerkt – sich kommentare von mal mehr, mal weniger unbekannten über das eigene leben durchzulesen. but then again, that´s blogging.)

    Antworten
  2. glamourdick

    REPLY:
    ich genieße den blogger-luxus zu sehr, einen text nicht auf seitengröße kürzen zu müssen. und ich mag nicht in pointen kommunizieren. der weg zur pointe ist mir zu wichtig.

    Antworten
  3. Not quite like Beethoven

    REPLY:
    Ich bin ja nun weitaus jüngeres Blog-Gestein als Sie und die anderen oben genannten Personen und meine thematische Ausrichtung unterscheidet uns auch. Doch an dem ver-ejakulierten Bedürfnis und der Suche nach einem anderen Zusammenhang laboriere ich auch seit längerem. Wie Sie sagen: Mal sehen was sich da für Lösungen finden lassen.

    Währenddessen lese ich hier nach wie vor sehr gerne, dank Abo auch bei niedrigerer Frequenz.

    Antworten
  4. Foxxi

    Ich liebe Blogs, aktiv wie passiv, aber auch Twitter und Facebook haben bei mir eingeschlagen und das artet mittlerweile in Streß aus -„Soll ich das bloggen, twittern oder auf Facebook posten?“ …Am Besten ist wahrscheinlich man bloggt alles und verbreitet es dann über Twitter und Facebook, dann sind alle möglichen Kommentarkanäle geöffnet.

    Ich lese ihr Blog jeden Tag und das mit großer Begeisterung, gerne würde ich es mit mehr Kommentaren würdigen, aber die Posts benötigten so gut wie keine Fragen, Wünsche oder Anregungen und das finde ich eigentlich sehr positiv.

    Vielleicht muss es einmal stellvertretend für vergangene und (hoffentlich) zukünftige Posts ausgesprochen werden um es so der vermeintlichen Banalität zu entreißen: Klasse! Es hat mir sehr gut gefallen und ich möchte dem uneingschränkt zustimmen!

    Antworten
  5. katiza

    REPLY:
    Ich glaube/hoffe, dass der Lack noch nicht ab ist, der Hype ist sicher vorbei, ich selbst habe in den letzten Monaten mehr Kommentare, aber das hängt wohl auch damit zusammen, dass man sich sein kleines Grätzl erobert. SMS mag ich an und für sich sehr, Twitter ist mir irgendwie zu twitter.

    „die genugtuung des ver-öffentlichen“ – oh ja, Herr Dick und die Fülle von Information, die Impulse und Rhythmen liebe ich bei Ihnen und anderen, ist Teil meines Lebens geworden, den ich nicht missen möchte.

    Antworten
  6. schneck08

    ich kann#s nachvollziehen, fast verstehen. aber, und wenn schon: es muss doch nicht immer alles super-relevant sein. ich denke an die kleinen zwischentöne, die ‚pfitzel‘, die schnipsel. wo sollen die dann hin? (und übrigens, habe hier kate bush wiederentdeckt, gottlob!). würde mich also freuen.

    Antworten
  7. Shhhhh

    Ich bin nicht um jeden Blog traurig und auch wenn ich selten Kommentare schreibe ( hier, glaube ich, noch nie und in vielen Fällen bin ich mir gar nicht sicher, ob ein Kommentar überhaupt gewünscht ist, trotz des Vorhandenseins der Möglichkeit ), bin ich deswegen kein seltener Gast – hier finde ich es schade.
    Ich habe selbst erst vor kurzem dieses Medium für mich entdeckt und wie ich genausowenig für Twitter und Facebook übrig habe, so glaube ich doch auch daran daran, dass Schreiben immer Genugtuung ist, egal welches Medium.

    Antworten
  8. katiza

    Ich lese Sie sehr, sehr gerne, und das täglich und danke auch recht herzlich für den Backstage Einblick ins Ashby House – wollt ich nur geasagt haben, dass Sie da mal nichta uf dumme Gedanken kommen….

    Antworten
  9. TheHeartcore

    Ich empfinde Twitter nicht als „eng“. (Auch ich hasse SMS.) Es ist komprimiert, doch in diese 140 Zeichen passt sehr viel; sowohl Wesentliches, als auch Unwesentliches. Vielleicht empfinde ich das auch so, weil ich damit „aufgewachsen“, ja sogar daran gewachsen bin. Vor drei Jahren noch war ein Blog für mich zu breit gefächert, da gab es einfach zu viel Platz, der gefüllt werden konnte/sollte/wollte. Damals war ich fünfzehn. (Hihi, „damals“.) Dann kam Twitter, zur passenden Zeit: wenig Platz für die wenig wichtigen Dinge. („wichtig“ ändert sich aber auch jeden Tag.) Nach drei Jahren des Twitterns hat sich bei mir aber das Bedürfnis entwickelt, *mehr* erzählen und aufschreiben zu wollen.

    Schade, dass GlamourDick sich langsam zurückziehen möchte, ich las und lese gerne mit. Aber ich verstehe das. Ganz gut sogar. Schade auch, dass ich erst 2010 mit dem Lesen von Blogs angefangen habe.

    Hoffentlich findet sich ein zufriedenstellender Mittelweg.

    Antworten
  10. glamourdick

    REPLY:
    ich bin mir schon bewusst, dass ich leser habe, das ist ja die genugtuung des ver-öffentlichen. und da ich selber blog-leser bin, bin ich jedem, der sein blog einstellt, durchaus böse.

    dennoch glaube ich, dass am medium blog der lack ab ist.

    hier wird es erst mal weitergehen, aber vermutlich irgendwann etwas weniger werden. ich habe mich hier ziemlich ver-ejakuliert, über die jahre, und das aus einem inneren bedürfnis. ich suche nach der form, das, was ich hier praktiziere, in einen anderen zusammenhang zu bringen. vielleicht gibt es den aber gar nicht und ich muss dieses schreiben und jenes schreiben weiterhin trennen. mal schauen.

    Antworten
  11. glamourdick

    REPLY:
    ja, wohin damit? in den nächsten roman vermutlich. oder auch weiterhin hier. ich weiß es noch nicht. und es freut mich, wenn mein kate bush-feldzug früchte trägt. i´m on a mission.

    Antworten
  12. spango

    bin selber ja ein faules schwein (schreibend eh – kommentierend leider auch). vielleicht hat das alles ein ende – aber doch nicht bitte hier. würde die prise glam ziemlich vermissen. selbst wenn ich sprachlos war, konnte man bei dir texte finden, die bewegen. aber wie gesagt: verstehe den wunsch nach rückzug und die hinwendung zu einer textsammlung, die du anders nutzen kannst. bis dahin lese ich so lange es geht.

    Antworten

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert